Die aktuelle Flüchtlingskrise stellt viele europäische Länder, ihr Selbstverständnis, ihre Bereitschaft zur Gewährung von Asyl und die Gewährung von Grundrechten massiv in Frage. Haben alle Menschen ein Recht auf Migration? Haben Verfolgte ein Recht auf Aufnahme und ein besseres Leben? Wie gehen wir als Christinnen und Christen damit um, dass täglich Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken? Sind Griechenland, Spanien und Italien besonders in der Pflicht, nur weil sie für viele flüchtende Menschen das Eingangstor nach Europa darstellen? Gibt es ein Menschenrecht auf ein besseres Leben?

Diese und ähnliche Fragen betreffen in erster Linie, wenn auch nicht ausschliesslich, sozialethische Überlegungen, betreffen also institutionelle, strukturelle und systemische Aspekte des menschlichen Zusammenlebens. Der in Fribourg gut bekannte Philosoph, Theologe und Ethiker Walter Lesch aus Louvain-la-Neuve beschäftigt sich mit diesen Herausforderungen auf dem Hintergrund der christlichen Sozialethik-Tradition. Seine These lautet, dass es moralisch plausibel sei, die Flucht von Menschen nach Europa als legitime Suche nach einem besseren Leben zu verstehen.

Auch wenn sein Buch im Stil eines Essays geschrieben ist, lenkt es die Aufmerksamkeit auf wesentliche Grundfragen der christlichen Sozialethik. Seine Beobachtungen und Überlegungen bieten ein geeignetes Arbeitsfeld, um die christliche Sozialethik, ihre Grundlagen, Prinzipien und Ansprüche angesichts einer konkreten Herausforderung neu zu durchdenken, zu erproben und zu begründen.