Das Seminar bemüht sich um eine Einführung in die literaturwissenschaftliche Untersuchung dramatischer Texte – und zwar ausschließlich dramatischer Texte. Die wissenschaftliche Untersuchung der Bühnenadaptation von Texten, die als Dramen zwar nicht immer, aber in der Regel für eine theatrale Inszenierung verfasst worden sind, wird im Seminar nicht erörtert.

Der Seminarverlauf beginnt mit einer Erörterung des Paradigmas der sprachanalytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts, die verkürzt und dementsprechend irreführend oft als analytische Philosophie bezeichnet wird. Dieses linguistische Paradigma bildet die Grundlage aller folgenden Überlegungen zur literaturwissenschaftlichen Untersuchung dramatischer Texte. Der weitere Verlauf des Seminars ist in vier Abschnitte gegliedert. Der Übergang zwischen diesen vier Abschnitten ist fließend:

(i) In einem ersten Schritt wird die literaturwissenschaftliche Untersuchung dramatischer Texte als eine begriffskritische erörtert. Wir wollen in diesem Teil des Seminarverlaufs die Fragen klären, was ein Begriff ist, wie mit literaturwissenschaftlichen Begriffen im Besonderen zu operieren ist und welche empirischen Gegenstände (Texte) unter den Begriff ‚Drama‘ im Besonderen fallen.

(ii) In einem zweiten Schritt wird die literaturwissenschaftliche Untersuchung dramatischer Texte als analytisch fundierte erörtert. Dieser Abschnitt ist seinerseits in drei Unterabschnitte gegliedert:

(a) Im ersten Unterabschnitt wird zunächst zu klären sein, was es bedeutet, literarische Texte als Zeichensysteme in ihre bedeutungstragenden Bestandteile zu zerlegen.

(b) Gegenstand einer textsemiotischen Analyse kann prinzipiell jeder Text sein. In einem zweiten Schritt wird im unmittelbaren Anschluß an die Erörterung des ‚Dramen‘-Begriffs zu klären sein, was es bedeutet, einen dramatischen Text in die Bestandteile zu zerlegen, die für Texte, die unter den Begriff ‚Drama‘ fallen, typisch sind.

(c) Die ersten beiden Unterabschnitte beschränken sich auf die formalistische Identifikation bedeutungstragender und gattungskonstitutiver Textstrukturen. Im dritten Unterabschnitt wird zu klären sein, was es bedeutet, nach der ‚Bedeutung‘ bestimmter Merkmale in konkreten Texten zu fragen. An diesem Punkt geht die Beschreibung von Textstrukturen bereits in ihre Interpretation über.

(iii) In einem dritten Schritt wird die literaturwissenschaftliche Untersuchung dramatischer Texte als eine dramentheoretisch informierte erörtert. Hier ist wiederum zu betonen, dass die Unterabschnitte nahtlos ineinander übergehen und nur der Übersichtlichkeit halber voneinander abgegrenzt werden. Mit der Erörterung des ‚Dramen‘-Begriffs und gattungskonstitutiver Textstrukturen werden wir bereits Dramentheorie betrieben haben. In diesem Abschnitt wollen wir uns am Beispiel der Aristotelischen Poetik mit einer Dramentheorie auseinandersetzen, die sich um eine Bestimmung der Wirkungskonzeption eines bestimmten Typs dramatischer Texte (Texte des Typs ‚Tragödie‘) bemüht.

(iv) In einem letzten Schritt wird die literaturwissenschaftliche Untersuchung dramatischer Texte als eine interpretationstheoretisch reflektierte erörtert. Dieser Abschnitt gliedert sich wiederum in zwei Unterabschnitte:

(a) Im ersten Unterabschnitt wird zunächst geklärt, was es bedeutet, einen literarischen Text als solchen zu interpretieren. Anschließend wird die hypothetisch-deduktive Methode wissenschaftlicher Textinterpretationen erörtert.

(b) Im zweiten Unterabschnitt befassen wir uns mit einer bestimmten Interpretationskonzeption. Anhand einer beispielhaften Interpretation werden Interpretation diskutiert, die sich darum bemühen, dramatische Texte in historischen Kontexten zu interpretieren. Dies sollte nicht nur mit einem Beispiel gattungstheoretisch reflektierter Drameninterpretation vertraut machen. Aus einer argumentationstheoretisch fundierten Kritik literaturwissenschaftlicher Interpretationen sollten sich auch Richtlinien für das eigenständige wissenschaftliche Interpretieren dramatischer Texte ableiten lassen.