Entsteht in der deutschen Sprechergemeinschaft das Bedürfnis, beispielsweise eine neuartige Tätigkeit – wie das Besorgen fremder Internet-Daten zur persönlichen Weiterverwendung – ökonomisch mit einem einzigen Wort zu benennen, so geschieht dies kaum dadurch, dass aus dem bestehenden deutschen Lautmaterial ein neues sprachliches Zeichen (z. B. *sülfen) – durch sogenannte Urschöpfung – geschaffen würde. Viel eher werden bereits vorhandene sprachliche Zeichen genutzt und, im vorliegenden Beispiel nach dem Muster einer anderer Sprache, zu einem neuen komplexen Wort formiert (herunterladen). Dieses Verfahren und überdies das Resultat dieses Verfahrens werden in der Linguistik als Wortbildung bezeichnet.

In der Vorlesung sollen die Gesetzmässigkeiten der Wortbildung des Deutschen vorgestellt werden, zu dessen Verfahren die Derivation (Rechn+er), die Konversion (sicher[n]) und die sehr häufig genutzte Komposition (Fest+platte) gehören, wobei letztere den Spott von Mark Twain auf sich zog: „Some German words are so long that they have a perspective“ (The Awful German Language, 1880).

Im Mittelpunkt der Vorlesung sollen die synchron-funktionalen Aspekte stehen, Exkurse sind für die Beleuchtung diachroner Aspekte vorgesehen. Angesichts der besonderen strukturellen und semantischen Eigenheiten von komplexen Wörtern lässt sich ausserdem immer wieder fragen, wie die Wortbildung zwischen den Bereichen Syntax und Lexikon anzusiedeln sei.