In einer zunehmend technisierten Gesellschaft gehen der Sinn für das Fest und die Kunst zu feiern zunehmend verloren. Neue zeitliche Rhythmen lassen das Jahr nicht mehr als „Kirchenjahr“, „liturgisches Jahr“ oder „Jahr des Heiles“ erscheinen, sondern folgen oft konsum- und produktionsbezogenen Eckpunkten. Die Frage nach dem Umgang mit der Zeit ist für viele ein individuelles, aber auch ein gesellschaftliches Problem geworden; sie hängt entscheidend mit der Sinnfrage des Menschen zusammen. Die Christen haben von Beginn an einen Zeitrhythmus gekannt, der vergegenwärtigendes Gedenken und Feier des Christusmysteriums (vor allem am Sonntag und zu Ostern) war. Daraus wurde im Laufe der Zeit das „Kirchenjahr“, eine christliche Form der Zeitgestaltung, die das menschliche Leben und natürliche Zyklen in besonderer Weise ernstnimmt. Gleichwohl ist es ein Konglomerat mit theologischen, spirituellen, brauchtumsbestimmten, gesellschaftlich-kulturellen und selbst politischen Hintergründen. Das Zweite Vatikanische Konzil und die folgende Reform des Kirchenjahrs und des Kalenders haben unter starker Gewichtung liturgietheologischer Aspekte zur heutigen Feierordnung geführt, die inzwischen allerdings wieder neue Verunklärungen erfährt. Im Gesamtzusammenhang der Thematik „Kirchenjahr“ wird sich die Vorlesung mit anthropologischen Bedingungen der Zeiterfahrung, mit dem Sonntag als dem Wochenostern und der Osterfeier (im weiten Sinn verstanden) befassen und die österliche Prägung des Kirchenjahres herausarbeiten.
- Enseignant·e: Martin Klöckener
- Enseignant·e: Miriam Geraldine Vennemann