Die Entstehung der Anthropologie ist auf vielfältige Weise verknüpft mit dem Projekt des europäischen Kolonialismus. Gerade wegen dieser Verflechtung, liesse sich behaupten, entwickelte sich auch in der Anthropologie seit den 1970er Jahren eine intensive selbstkritische Debatte um postkoloniale Repräsentation und Autorität. Heute gehört die Auseinandersetzung mit der Frage, wer, wie über wen spricht, resp. schreibt und wie diese Prozesse in geopolitische und rassialisierte Machtverhältnisse eingebettet sind zur theoretischen, methodischen und ethischen Grundausbildung des Fachs.

Diese Einführungsveranstaltung bietet eine anthropologische Perspektive auf das breite interdisziplinäre Feld postkolonialer Kritik und Praxis. Sie vermittelt 1) historische und theoretische Grundlagen und zeichnet die Entwicklung des Feldes von den klassischen Texten bis zu den heutigen wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Debatten nach (Castro Varela/Dhawan 2015). Weiter wird vermittelt, wie 2) postkoloniale Ansätze heute in zeitgenössischen Ethnographien Niederschlag finden. 3) Mit Blick auf die Schweiz wird thematisiert, wie sich postkoloniale Kritik und Praxis in der Schweiz vor dem Hintergrund eines «Kolonialismus ohne Kolonien» entwickelt hat (Purtschert/Lüthi/Falk, 2012).

Der Kurs verbindet die Diskussion theoretischer und ethnographischer Texten, mit der Analyse konkreter Fallbeispiele (u.a. aus der Forschung und Praxis des Dozenten) und der Präsentation postkolonialen Ansätzen von eingeladenen Gästen aus Wissenschaft, Kunst und Aktivismus.