Was bewegt Menschen, Organisationen oder Konzerne zum Geben? Wann, wie und wem wird gegeben und vor allem weshalb? Marcel Mauss hat in seinem zum Klassiker avancierten Essay Die Gabe (1950) aufgezeigt, dass das Geben von Gaben und Geschenken massgebend zur Aufrechterhaltung sozialer und moralischer Ordnung beiträgt. Was aber passiert mit der „archaischen Gabe“ in der postmodernen Zivilgesellschaft? Wie gestaltet sich Mauss’ soziale Verpflichtung zu geben im modernen Wohlfahrtsstaat einer wirtschaftlich globalisierten Welt? Wenn Philanthropie, wie Bornstein (2009) behauptet, „ein Impuls ist, um Elend und Leiden zu beenden“, dann müssen wir uns fragen, wie dieser Impuls gesellschaftlich strukturiert und geformt wird.

Die Lehrveranstaltung versteht sich als Einführung in eine Anthropologie der Schenkökonomie (Anthropology of the gift) aus heutiger Sicht. Ausgehend von Marcel Mauss‘s Gabentheorie beschäftigt sie sich kritisch mit zeitgenössischen Formen des Gebens (und Nehmens) von Gaben, insbesondere der Philanthropie. Sie beleuchtet aus sozialanthropologischer Perspektive drei Kategorien der Philanthropie: religiöse (Beispiele aus dem Hinduismus, Islam und Christentum), säkular-rationale (elitäre und korporative, z.B. Corporate Social Responsibility) sowie universell-humanitäre (z.B. humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit). Wie unterscheiden sich diese Kategorien der Philanthropie? Wo liegen ihre ideologischen Wurzeln? Welche (moralischen) Beziehungen entstehen durch diese Formen des Gebens zwischen Geber und Nehmer? Welche ethisch-moralischen Fragen werden dadurch aufgeworfen? Zur Bearbeitung dieser Fragen werden sowohl klassische Texte als auch neuste Forschungsarbeiten gelesen und zur Diskussion gestellt.