Armut ist eine der grössten Herausforderungen der Gegenwart und bringt die Gefahr einer Spaltung der Gesellschaft mit sich. Almosen, Armenfürsorge, die Hilfe für Notleidende und eine „Option für die Armen“ sind elementare Bestandteile christlicher und islamischer Ethik. Seit dem 19. Jahrhundert sind in Europa vielfach aus einer religiösen Motivation heraus karitative Vereine und Verbände entstanden, um in institutionalisierter und professionalisierter Form Menschen in sozialer Not zu helfen. Sie haben einen wichtigen Beitrag zum Aufbau der europäischen Sozialstaaten geleistet. In einer postsäkularen und multireligiösen Gesellschaft stellt sich heute die Frage nach dem Stellenwert eines religiös motivierten sozialen Handelns neu. Wie können etwa muslimische Akteure ihre Hilfeleistungen über die Gemeinden hinaus einbringen und im Rahmen eines Netzes unterschiedlicher Anbieter tätig werden? Welchen Beitrag können zeitgenössische christliche und muslimische Reflexionen zur Armut und Armutsbekämpfung im gesamtgesellschaftlichen Diskurs leisten? Diese Fragen sollen anhand von Fallbeispielen aus der Schweiz, von transnationalen Hilfsorganisationen und aktuellen Beiträgen zu Sozialstaat und Religion diskutiert werden.