SE: Soziale Strukturen in Entwicklungsländern

Die Erfassung der sozialen Strukturen von Gesellschaften ist ein zentrales Anliegen der Sozialwissenschaftler, weil mit ihr Aussagen über die sozialen Ungleichheiten, über Macht- und Herrschaftsverhältnisse, über Entwicklungsmöglichkeiten und über Integrations- und Desintegrationsprozesse möglich werden. In den letzten Jahren haben in den westlichen Industriegesellschaften vielfach Konzeptionen von Lebensstilen, Milieus und Lebenslagen die Oberhand gegenüber Klassen und Schichten gewonnen. In den sog. Entwicklungsländern bzw. im Globalen Süden waren die sozialen Abgrenzungen seit jeher fließender und weniger eindeutig. Allein dies verweist auf andere Konstitutionsprozesse der Gesellschaft, andere historische Erfahrungen und eine geringere Organizität in der Herausbildung sozialer Kategorien. Auch wurde für Entwicklungsländer die generelle Brauchbarkeit westlicher Topoi zur Erfassung gesellschaftlicher Strukturen bestritten.

In der Lehrveranstaltung sollen die neuen Diskussionen um die sozialen Strukturen in Entwicklungsländern aufgegriffen und deren Realitätsgerechtigkeit geprüft werden. Dabei wird es beispielsweise um die Unterschiede der Sozialstrukturen gehen, um Modelle der Sozialstruktur, um die vieldiskutierte neue Rolle der Mittelschichten, um das Problem fortbestehender Armut und Informalität, um die persistenten sozialen Ungleichheiten, um die Blackbox der Eliten und die Folgen für die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit. Dabei sollen nicht zuletzt in globaler Perspektive auch soziale Ungleichheiten Ländern und die Kategorisierung von Ländern zu bestimmten Gruppen thematisiert werden.