Menschliches Handeln und Denken ist geprägt von vergangenen Erfahrungen, Biographien, Familiengeschichten und kulturellen Praktiken des Erinnerns. Aus diesem Grund und dank des steigenden Interessen an einer «Geschichte von unten», die sich marginalisierten Bevölkerungsgruppen widmet, sind Lebensgeschichten und mündliche Überlieferungen von Zeitzeugen heute ein wichtiger Bestandteil der anthropologischen und historischen Forschung. Obschon Anfangs oftmals als subjektiv und verzerrt abqualifiziert, wird mittlerweilen anerkannt, dass der wissenschaftliche Wert erzählter Erinnerungen weit über Einsichten in subjektive Wahrnehmungen hinausgeht. Neben Informationen über Lebensverhältnisse und Alltagspraktiken erlauben sie uns, vielfältige Fragen über Erinnerungsvorgänge, Prozesse der Identitätsbildung und Erzähl- und Geschichtskultur zu stellen.

In diesem Forschungs- und Methodenseminar befassen wir uns intensiv mit dem epistemologischen Stellenwert von Oral History und Lebensgeschichten für die anthropologische Forschung, sowie mit den Methoden, mit welchen wir diese erfassen können. Dazu werden die Studierenden anhand von biographischen Interviews, der Analyse von Bildmaterial und dem Erstellen von Genealogien die Lebens- und Familiengeschichte von ausgewählten Personen verfassen. Dies wird uns ermöglichen, in der Literatur besprochene methodologische, epistemologische und ethische Fragen in die Praxis umzusetzen und gemeinsam zu reflektieren und uns im Schreiben von Lebensgeschichten üben.