Wie kann die menschliche bzw. gesellschaftliche Existenz langfristig gesichert werden? Diese Frage wird prominent im bemerkenswerten Bericht «Our common future» nachgegangen, den die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (World Commission on Environment and Development, WCED) 1987 veröffentlicht hat. Dieser Bericht ist auch unter dem Namen Brundtland Report bekannt, benannt nach der Vorsitzenden Gro Harlem Brundtland. Darin und später in der Agenda 21 der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio wird «die zunehmende Verflechtung globaler ökologischer Krisenphänomene mit wachsenden Armutsproblemen, vor allem im Süden» festgestellt (Brandt 1997:9). Darin werden erstmals sozialpolitische, umweltpolitische, entwicklungspolitische bzw. wirtschafts-politische sowie institutionelle Aspekte sozialer Entwicklung verknüpft und wieder in den «Sustainable Development Goals» (2016) aufgegriffen. Dabei wird in der Literatur wird vorab die Interaktion zwischen den drei «P»s (People, Plant and Profit) oder den drei «E»s (Environment, Economy and Equity) (Littig & Griessler, 2005) thematisiert.

Das Konzept wird in handlungsrelevanten und auf die Zukunft ausgerichtete Kontexte benutzt; deshalb wird zwischen analytischen, normativen und operativen Komponenten unterschieden. Die analytische Komponente fokussiert auf die Interaktion zwischen den sozialen und institutionellen Aspekten mit den ökonomischen und der (natürlichen) Umwelt. Damit wird Wissen über die Ursachen und die Entwicklung von sozialen Problemen generiert, das für die Erarbeitung von Szenarien und Handlungsoptionen nutzbar gemacht wird. Die normative Komponente befasst sich mit der gesellschaftlichen Aushandlung und Definition der zu verfolgenden Ziele im Hinblick auf die Ressourcennutzung der gesellschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Entwicklung für künftige Generationen. Die operative Komponente bezieht sich auf die notwendigen Handlungsbedingungen, um die Zielsetzungen zu erreichen. Die Integration der drei Dimensionen wird im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung der heutigen Gesellschaft verstanden, und verbindet eine doppelte Zielsetzung: (1) das soziale und ökonomische Wohlergehen der heutigen und zukünftigen Generationen im Zusammenhang mit der langfristigen Erhaltung der Lebensgrundlagen unter (2) Berücksichtigung von Fragen sozialer Gerechtigkeit und sozialer Ungleichheiten. Dahinter steht die Annahme, dass die gesellschaftliche Transformation hauptsächlich von «Handlungsmöglichkeiten und -zielen gesellschaftlicher Akteure» abhängt.

Im Vergleich zur ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit wird die soziale Nachhaltigkeit in der Forschung und in Debatten eher vernachlässigt. Die Referate der Vortragsreihe thematisieren unterschiedliche Aspekte Fragen von Lebenschancen und sozialer Ungleichheit abhängig von politischen, ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen mit Blick auf die Zukunft. Im ersten Block befassen wir uns mit der Geschichte, Definition und Kritik des Konzepts und dem Verständnis von und Debatten um soziale Nachhaltigkeit. Im zweiten Block fokussieren die Referate auf verschiedene Anwendungsbereiche wie beispielsweise die Arbeitswelt, Care, Generationenbeziehungen, Sozialpolitik und die Bedingungen für die praktische Umsetzung sozialer Nachhaltigkeit oder De-growth.