Die Bildungsanthropologie kann auf eine lange und reiche Geschichte zurückblicken, in welcher die Zusammenhänge zwischen Kindheit, Lernen, Schule und Sozialisation aus einer kulturanalytischen Perspektive ausgelotet wurden. Dabei ging es immer darum, diese Zusammenhänge in ihrem sozialen und kulturellen Kontext zu verstehen, angefangen bei Margaret Meads Klassiker Coming of Age in Samoa (1928) über Paul Willis’ berühmte Ethnographie Learning to labour (1977) und Bradley Levinsons/Margaret Eisenharts einflussreiches Kompendium Schooling the symbolic animal: Social and cultural dimensions of education (2000) bis hin zu den neusten Entwicklungen in Europa, beispielsweise mit dem Sammelband Children of the welfare state: civilising practices in schools, childcare and families (2017) von Eva Gulløv und Laura Gilliam. 

In der Vorlesung wollen wir in diesen Reichtum eintauchen und Bildung – formale wie informelle – als einen Prozess beleuchten, der losgelöst von den gesellschaftlichen Kontexten, in denen er stattfindet, gar nicht verstanden werden kann. Nebst den Grundlagen der Bildungsanthropologie leiten folgende weitere Fragen durch die Vorlesung: Wie werden Ethnizität, Gender, soziale Klasse, Sprache und andere Differenzkategorien in der bildungsanthropologischen Forschung je für sich oder intersektional ausgeleuchtet? Wie hängen sozial- und kulturanthropologische Analysen von Schule und Bildung mit den Bemühungen um ein sozial gerechteres Bildungssystem zusammen, und was bedeuten sie im Kontext von Migration und Transnationalismus? Aber auch: welche einzigartigen Einsichten bietet die ethnographische Methode in Themen rund um Bildung?