Herbstsemester 2021

Montag 13:15 - 15:00, wöchentlich, PER 21, Raum E130

Manche Bücher verändern eine Disziplin für immer. Kant hat mehrere solcher Bücher geschrieben, aber allen voran steht die Kritik der reinen Vernunft. Ein herausfordernder, ja gefürchteter Text, der aber die Mutigen, die sich ihm stellen, reich belohnt. Die Grundfrage ist dabei denkbar einfach: „Was kann ich wissen?“ Von ihr aus errichtet Kant Stück um Stück ein Denkgebäude, dessen Eindrücklichkeit man sich kaum entziehen kann, und das voller Überraschungen steckt. Wer traut sich, es zu erkunden…?

Als im Jahr 1781 Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft erscheint, ist damit ein langer und heftiger Streit in der Philosophie fürs Erste geschlichtet. Kant gelingt es die sogenannten „Empiristen“ mit den „Rationalisten“ zu versöhnen. Auf der einen Seite die Vielfalt und Komplexität unserer Wirklichkeit, wie wir sie sehen, hören, schmecken und tasten, auf der anderen Seite, die Einheit und Effizienz unseres Denkens, mit dem wir die Welt ordnen. Beide Aspekte unseres Lebens sind bei Kant in einer Theorie vereint.

Im Grunde zeigt Kant, dass und wie wir als Menschen gar nicht anders können, als in bestimmten Perspektiven auf die Welt zu blicken. Unser Blick auf das, was da draussen ist, ist immer schon vorstrukturiert, und doch teilen wir ein und dieselbe Welt. Wie geht das zusammen? Mit dieser paradoxen Frage steht Kant auch im Zentrum der Kulturwissenschaften. Auch hier soll schliesslich beides gelten: die empirische Vielfalt, der wir ethnographisch im Feld begegnen, und die theoretische Einheit, die wir sozialanthropologisch am Schreibtisch herausarbeiten. Wer Kant liest, lernt zudem besser verstehen, was die eigene wissenschaftliche Arbeit innerlich zusammenhält. Damit ist auch die Grundlage geschaffen für die zentralen ethischen Fragen.

Wir lesen überschaubare Ausschnitte aus Kants Schriften sowie einschlägige sozialanthropologische Texte, die dem Spannungsverhältnis von Vielfalt und Einheit im menschlichen Leben nachgehen.