In diesem Proseminar beschäftigen wir uns mit aktuellen Herausforderungen des Sozialstaates im Umgang mit Vulnerabilitäten.

Der erste Teil des Seminars beleuchtet Vulnerabilitäten im Zusammenhang mit Kriminalität. Wie ein Sozialstaat auf abweichendes Verhalten und Delinquenz reagiert, hängt eng mit der Vorstellung zusammen, was das Ziel von Bestrafung und Strafen sein soll. Lange Zeit stand das Bild vom Delinquenten als unvollständigem Individuum im Raum, dessen Defizite aufgrund von sozialer und gesellschaftlicher Benachteiligung, hervorgebracht z.B. durch Armut, gebessert und ausgeglichen werden müssen. Parallel mit dem Erstarken der Opferbewegung wurde diese Vorstellung der Rehabilitation seit den 1980er Jahren abgelöst vom Gedanken der Widergutmachung einer Straftat und dem Schutz der Gesellschaft. Nicht mehr gesellschaftliche Ursachen wurden für Delinquenz verantwortlich gemacht; die Verantwortung wird dem Individuum selber zugeschrieben. Hierbei steht die Frage im Zentrum, wie der Staat mit vulnerablen Menschen – Opfer von häuslicher Gewalt, Kriminelle im Strafvollzug, von Armut Betroffenen, ethnischen Minderheiten und Migrant*innen – im Zusammenhang mit Kriminalität umgeht.  

Im zweiten Teil des Proseminars widmen wir uns den Herausforderungen für den Sozialstaat die aufgrund von gestiegener Mobilität entstanden sind. Dabei befassen wir uns, nebst dem sozialen Schutz von vulnerablen Migranten*innen, mit der Diskussion um die Sozialleistungen mobiler Arbeitnehmenden in einer zunehmend transnational vernetzten Arbeitswelt. Des Weiteren diskutieren wir am Beispiel der Covid-19 Pandemie, wie unterschiedliche Formen von Mobilitätsprozessen selbst zu neuen Formen von Ungleichheiten führen. Zum Schluss gehen wir der Frage nach, welche internationale Verantwortung der Sozialstaat in der Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Geflüchteten hat.