Kolonien wurden im ausgehenden 19. Jahrhundert zusehends als «Laboratorien der Moderne» konzipiert, die den europäischen Mächten und ihren Verbündeten für wissenschaftliche und gesellschaftliche Experimente dienen sollten. Wissen galt dabei als Voraussetzung für die Erschliessung natürlicher Ressourcen und die Beherrschung des kolonialen Raumes. Umgekehrt hatten die Kolonien und ihre Bewohner:innen erheblichen Einfluss auf die Wissenschaft: Im Zuge des Hochimperialismus entstanden neue Wissensbestände, Forschungsmethoden und Wissenschaftsdisziplinen.
Das BA-Seminar untersucht anhand spezifischer Technologien, Akteur:innen und Wissenschaftszweige, wie der Botanik, der Anthropologie oder der Tropenmedizin, welche Zusammenhänge zwischen der Wissenschaft und dem Kolonialismus bestanden. In den Blick genommen werden nicht nur europäische Forscher:innen, Kolonialbeamte, Kaufleute und Missionar:innen, sondern auch Menschen aus der Bevölkerung in den Kolonien, die als Wissensvermittler:innen operierten, recherchierten, Daten zusammentrugen, übersetzten, sammelten und so an der Entstehung moderner Wissenschaften mitwirkten.
Einführende Literatur: Chakrabarti Pratik/Worboys Michael, Science and Imperialism since 1870, in: Slotten Hugh Richard et al. (Hg.), The Cambridge History of Science, Vol. 8: Modern Science in National, Transnational, and Global Context, Cambridge 2020, S. 9–31; Fischer-Tiné Harald, Pidgin-Knowledge. Wissen und Kolonialismus, Zürich 2013; Habermas Rebekka/PrzyrembelAlexandra (Hg.), Von Käfern, Märkten und Menschen. Kolonialismus und Wissen in der Moderne, Göttingen 2013; Schär Bernhard, Wissenschaft und Kolonialismus, in: Bundeszentrale für politische Bildung (bpb.de), 20. Mai 2016, https://www.bpb.de/themen/kolonialismus-imperialismus/postkolonialismus-und-globalgeschichte/219136/wissenschaft-und-kolonialismus/, Zugriff am 9. Juni 2022.
- Teacher: Linda Maria Ratschiller Nasim