In diesem Seminar konzentrieren wir uns auf Erzählungen, in deren Diegese Tiere eine Hauptrolle einnehmen und durch die Gestaltung nebst der quasi unumgänglichen Projektion von anthropomorphisierenden Merkmalen auch konventionell zugewiesene ‚natürliche‘ Eigenschaften aufweisen. Es geht demnach weniger um die Fabel oder allgemeiner ‚Tierepik‘, in denen Tiere stabile bzw. stereotype, häufig eindimensionale menschliche Charakterzüge repräsentieren. Mit Tiergeschichten stehen demnach Erzählungen im Zentrum, in denen animalisches und humanes Verhalten in ein spannungsgeladenes und vielschichtiges Verhältnis gestellt werden. Zu denken ist dabei an Texte, die eine zentrale Beziehung eines Menschen zu einem Tier beschreiben wie bspw. Thomas Manns „Herr und Hund“. Aber auch an Texten, in denen Tiere als selbständige Akteure mit einer Art eigenen Kultur auftreten wie etwa Felix Saltens „Bambi“, Kästners „Konferenz der Tiere“, in neuerer Zeit insbesondere Helmut Kraussers „Die wilden Hunde von Pompeii“.

Zu den Fragen, die in diesem Zusammenhang sich stellen, gehören u.a. die Gestaltung der Fokalisierung bei Wesen, die im engeren Sinne keine Sprache sprechen, Differenzen von humaner und animalischer Wahrnehmung, Position des Tieres im Verhältnis zur Gesellschaft, aber auch das literarische Verhältnis zwischen Realismus und der Fantastik von sprechenden Tieren. Nicht zuletzt drängt sich bei diesem Thema auch der Vergleich zum Filmtier auf.