Die These der « neuen Kriege » wurde unter anderem von Mary Kaldor postuliert: Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich organisierte Gewalt grundsätzlich gewandelt. So hätten sich Ziele und Art der Kriegsführung sowie deren Finanzierung geändert. Statt staatlich organisierter und finanzierter grosser Landheere, stehen sich eine Vielzahl von Gruppen gegenüber, die unter Berufung auf partikulare Identitäten um (staatliche) Macht konkurrieren; statt zeitlich und räumlich beschränkter Kriege dominieren diffuse « états de violence » (Gros). Zusätzlich intervenieren Nationalstaaten wiederholt in Bürgerkriege, zerfallenden Staaten und Grenzregionen (Duffield). Der postsowjetische Raum eignet sich besonders zur Überprüfung der These. Viele der teils « eingefrorenen Konflikte » bestätigen Kaldors Annahmen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 scheint dagegen der These der neuen Kriege zuwiderzulaufen. Der Kurs verfolgt ein doppeltes Ziel: Zum einen bietet er eine Einführung in unterschiedliche sozialwissenschaftliche Ansätze, um organisierte Gewalt zu interpretieren. Zum anderen wird das Seminar insbesondere beleuchten, wie und mit welchen Zielen das postsowjetische Russland in seiner Peripherie militärisch eingegriffen hat. Dabei sollen mit aus dem ersten Teil des Seminars erarbeiteten Begriffen konkrete Beispiele postsowjetischer Kriege interpretiert werden (Moldau, Tschetschenien, Georgien, Ukraine). Dabei werden sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Konfliktführung und -Rechtfertigung zeigen.