Über das Verhältnis von Wirtschaft und Politik wird seit langem kontrovers diskutiert. In der Regel geht es bei den entsprechenden Debatten darum, ob die Wirtschaft die Politik dominiert oder vice versa, welche Instanz mit welcher Legitimation eigentlich dazu berechtigt wäre, und welche Aufgaben der Politik und welche der Wirtschaft eigen sind. Die Frage nach Eingriffsmöglichkeiten und Eingriffsrechten der jeweiligen Seite ist dabei immer auch eine der zentralen Machtfragen jeder Gesellschaft, weil sich damit auch unterschiedliche sozio-ökonomische und gesellschaftspolitische Vorstellungen verbinden.

Ein näherer Blick auf die möglichen Beziehungsgefüge zwischen Wirtschaft und Politik zeigt, dass die Machtverhältnisse zwischen Politik und Wirtschaft je nach historischen Konjunkturen zwar changieren und entsprechend eher als Dominanz, Abhängigkeit oder Interdependenz gefasst werden können, sie sich aber in den letzten Jahrzehnten deutlich hin zur Wirtschaft verschoben haben. In entscheidenden gesellschaftlichen Fragen offenbaren sich ein ums andere Mal deutliche Ungleichgewichte in den Machtfigurationen, die handfeste Folgen für die Gesellschaft haben, so dass nicht nur wegen der damit verbundenen demokratietheoretischen Herausforderungen über das schwierige Verhältnis von Politik und Ökonomie wieder stärker nachgedacht wird.

Eines der neueren Konzepte in diese Richtung ist das sog. „state capture“. Es bezeichnet grundlegend die Indienstnahme des Staates durch private Interessen unterschiedlicher Art und wurde erstmals von IWF und Weltbank bei der Transformation der ehemals sozialistischen Länder angewandt, sodann auf Osteuropa, später auch auf Afrika und Lateinamerika ausgeweitet. Das Konzept des „state capture“ ist allerdings heterogen und auch widersprüchlich geblieben, so dass in der Lehrveranstaltung zunächst eine konzeptionelle Klärung erfolgen muss, was genau unter „state capture“ verstanden werden kann. Es sollen sodann neuere Ansätze und Herangehensweisen sowie exemplarische Fallanalysen jeweils unter dem Aspekt behandelt werden, wie „state capture“ funktioniert, was es konkret bedeutet und welche politischen und sozio-ökonomischen Folgen damit verbunden sind.