In Platons Dialog „Menon“ wollen Menon und Sokrates untersuchen, was Tugend ist. Die Untersuchung scheitert, weil beide nicht wissen, was Tugend ist. Das bringt Menon zu der Frage, ob sich überhaupt etwas untersuchen lässt, das man gar nicht kennt. Sokrates bringt Menons Frage in die Form eines Dilemmas: Was man nicht weiß, kann man nicht untersuchen, weil man nicht weiß, wonach man sucht; was man weiß, kann man nicht untersuchen, weil man es schon weiß und nicht mehr suchen muss. Daher ist jede Untersuchung unmöglich, weil man weder das suchen kann, was man weiß, noch das, was man nicht weiß. 

Das Menon-Paradox ist ein erkenntnistheoretisches Rätsel, das die Möglichkeit philosophischen Nachdenkens überhaupt in Frage stellt. Denn ständig stellen wir in der Philosophie (und darüber hinaus) Untersuchungen an; wir fragen danach, was Tugend ist, was Wahrheit ist oder was der Geist ist, und dabei gehen wir sogar davon aus, dass die Suche manchmal erfolgreich sein und zu einem Ergebnis führen kann. Nach dem Menon-Paradox wären aber all solche Untersuchungen von vornherein unmöglich. 

 

Im Seminar werden wir uns zunächst ausführlich mit dem Paradox in Platons „Menon“ und den Antworten, die Sokrates im Dialog entwickelt, beschäftigen. Im weiteren Verlauf des Seminars werden wir uns zudem mit der Rezeption des Paradoxes bei Aristoteles und im Hellenismus (bei Epikur, in der Stoa und im Skeptizismus) befassen.