Säuglinge und deren Entwicklung stehen schon lange im Fokus wissenschaftlicher Diskussionen. Es scheint, als ob das erste Lebensjahr eine besondere Faszination auf Erwachsene ausübt, was sich z.B. in veröffentlichen Tagebüchern von Wissenschaftler*innen über die Beobachtung der eigenen Kinder zeigt (u.a. Charles Darwin oder Clara und William Stern). Im Rahmen des Seminars wird das erste Lebensjahr in den Mittelpunkt erziehungswissenschaftlicher und kindheitstheoretischer Denkweisen gerückt. Wir beschäftigen uns mit der Frage, wie sich die Verwissenschaftlichung des Säuglingsalters im 20. Jahrhundert entwickelt hat, und richten dabei den Blick insbesondere auf erziehungswissenschaftliche Theorien und Handlungsweisen.

Ausgangspunkt werden die aktuellen Debatten zu den Kinderrechten und dem präventiven Schutz von Säuglingen vor Gewalt innerhalb der Familie sein. Hierbei wird ein Fokus auf die deutschsprachige Diskussion gelegt. Gerahmt wird das Seminar über eine kindheitstheoretische Verortung in den Spannungsfeldern von Agency und Verletzlichkeit, Autonomie und Schutz, Abhängigkeit und Kompetenz. Im Seminar wird mit Film, historischem Bild und Textmaterial gearbeitet. Besprochen und eingeordnet werden u.a. die Diskussionen zu der Bindungstheorie, dem Hospitalismus und der sogenannten „schwarzen“ Pädagogik, die im Seminar als eine kalte Pädagogik beschrieben wird. Die Idee ist, dass die Studierenden selbst auf (historische) Materialsuche gehen und in Gruppen die gewählte Thematik aufarbeiten und visualisieren. Zielsetzung ist es gemeinsam wissenschaftliche Bilder und Narrative über das Säuglingsalter im Zeitverlauf zu betrachten und zu analysieren, um aus vergangenem für zukünftiges pädagogisches Handeln zu lernen.