Die soziale Ungleichheit hat in Europa – nach einer längeren Phase der Egalisierung – in den letzten Jahrzehnten wieder stark zugenommen. Gleichzeitig ist es nicht nur zu einer Veränderung der Semantiken von Ungleichheit gekommen, sondern hat es auch eine schleichende Neubewertung des Nutzens bzw. des Schadens sozialer Ungleichheiten gegeben. Durch die zahlreichen Krisen und Konflikte der letzten Jahre ist gleichwohl die Ungleichheit wieder zu einem Thema in der politischen Öffentlichkeit geworden. In der Lehrveranstaltung soll deshalb zunächst in begrifflicher und theoretischer Perspektive danach gefragt werden, was denn soziale Ungleichheit heutzutage bedeutet und wie soziale Ungleichheiten legitimiert wurden bzw. werden. Dies soll jedoch lediglich der Ausgangspunkt für die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit den perzipierten Folgen sozialer Ungleichheit sein. Zu diesen Folgen gehören beispielsweise die soziale Spaltung der Gesellschaft und das Auseinanderdriften von Armut und Reichtum, der Verlust bzw. die Hinterfragung des Gleichheitspostulats von Demokratien, die problematische Wahlenthaltung unterer sozialer Schichten, das Wiederaufleben von Diskriminierung, Vorurteilen und Stereotypen, Phänomene der Post-Demokratie und des Populismus, die beträchtlichen Differenzen zwischen einzelnen sozialen Gruppen in Bezug auf Public Health-Aspekte, soziale Kälte durch ‚rohe Bürgerlichkeit‘, zunehmende Verteilungskämpfe und eine erhöhte Konfliktivität von Gesellschaften, und daraus resultierend auch hohe Kosten für eine Gesellschaft. Nicht zuletzt wird wieder über neue Formen des Sozialismus nachgedacht. Die zuletzt genannten Aspekte sollen im Seminar in theoretischer Perspektive mit empirischen Beispielen behandelt und diskutiert werden, um die vielgestaltigen Folgen von sozialer Ungleichheit verstehen und bewerten zu können.