Gute fünfzig Jahre nach Anheben der feministischen Forschung im akademischen Feld ist die Frage nach den Frauen (in der Kunst) zurück. Ungeachtet der selbstkritischen Weiterentwicklung der ‘Frauenforschung’ zu den aktuellen gender und queer studies, die biologistische Zuschreibungen und (hetero-)normative Strukturen aufzudecken, kritisch zu befragen und in Richtung Diversität umzuarbeiten versuchen, lässt sich das neue Interesse an der ‘Ursprungsfrage’ feministischer (Kunst-)Wissenschaft nicht übersehen. Ein Blick in die aktuellen Ausstellungsprogramme zeigt: Künstlerinnen zu präsentieren ist mehr denn je populär. Aber auch wissenschaftliche Publikationen und Tagungen spiegeln diesen Trend, wobei sich – neben einer breit beobachtbaren Banalisierung der Forschungsfrage zugunsten lukrativer Vermarktungsstrategien – mit den aktuellen Tendenzen zu einer neuen Politisierung auch eine zunehmende Rückbesinnung auf die methodologischen Erkenntnisse und kritischen Theorien der gender studies abzuzeichnen beginnt.

Die Lehrveranstaltung hat zum Ziel, in jene Theorien und Ansätze der gender studies einzuführen, die sich kritisch mit der Frage «Kunst von Frauen» beschäftigt haben. Hierfür werden wir genauso theoretische Grundlagentexte lesen, wie uns in aktuellen Ausstellungen und Museen in der Schweiz vor den Originalen mit dem Werk und den Fragestellungen ausgewählter Künstlerinnen auseinandersetzen. Zugleich werden wir auch aktuelle Ausstellungskonzepte und Präsentationsstrategien reflektieren und kritisch diskutieren. Wie Linda Nochlin 1971 bereits festgestellt hat, liegt die Ursache dafür, warum es – historisch gesehen – wenige Frauen in der Kunst gegeben hat, nicht an der Biologie, sondern allen voran an den Möglichkeiten der Ausbildung, den gesellschaftlichen Strukturen, Normen und Hierarchien. Welche Rolle spielen diese Kriterien heute noch? Ist Kunst von Frauen ‘anders’? Wo und wie werden in den Werken von Künstlerinnen Aspekte von gender und Diversität, von Inklusion und Exklusion kritisch thematisiert und reflektiert – oder auch ausgeblendet?

 

Die Lehrveranstaltung findet teils im Hörsaal, teils vor Originalen in Schweizer Museen statt. Das genaue Programm wird in der ersten Einheit bekannt gegeben. Interessierte Teilnehmer*innen an der Lehrveranstaltung melden sich bitte bis zum 21.09. auch bei der Lehrveranstaltungsleiterin an (marianne.koos[at]unifr.ch). Reisekosten und Eintritte können nicht übernommen werden (für Studierende unter 25 gibt es zumeist gratis Eintritt). Sprache: Jede*r spricht seine/ihre Muttersprache (deutsch/französisch), perfekte passive Kenntnisse der jeweils anderen Sprache werden vorausgesetzt.

 

Leistungsüberprüfung: Referat, aktive Beteiligung an den Einheiten (nicht mehr als zwei Doppelstunden Fehlzeit), schriftliche Hausarbeit (6 ECTs). Die schriftlichen Arbeiten sind bis zum 31.01.2024 zu erstellen (genauere Angaben im Hörsaal).

 

 

Literatur zur Einführung:

Frübis, Hildegard: „1968 und die Folgen. Die Kunstgeschichte und die Frage der Geschlechter“, in: Kunst und Politik. Jahrbuch der Guernica-Gesellschaft 12 (2010), Schwerpunkt: Kunstgeschichte nach 1968, S. 88-98.

Mader, Rahel: Frau-Sein verkauft sich gut – Überlegungen und Thesen zu Kunst, Karriere, Geschlecht und Vermarktung. In: FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur 47 (2009), S. 53-67.

Nochlin, Linda: “Why have there been no Great Women Artists?” In: Art News, Jan. 1971, erneut abgedruckt in: Dies., Art, Women and Power and Other Essays, New York u.a., 1988, S. 145-178.

Schade, Sigrid / Wenk, Silke: Inszenierungen des Sehens: Kunst, Geschlecht und Geschlechterdifferenz. In: Bußmann, Hadumod / Hof, Renate (Hg.), Genus. Zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart 1995, S. 340-407.

Söntgen, Beate (Hg.): Rahmenwechsel. Kunstgeschichte als Kulturwissenschaft in feministischer Perspektive, Berlin 1996.

Söll, Änne, Linda Hentschel (Hg.): Themenheft „Gend_r“, kritische berichte 44 (2016), H. 4.

Zimmermann, Anja: Kunstgeschichte und Gender: Eine Einführung, Berlin 2006.

Zimmermann, Anja: ’Kunst von Frauen’. Zur Geschichte einer Forschungsfrage. In: FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur 48 (2009), S. 26-36.

Zeitschrift FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und visuelle Kultur – laufend neue Nummern, golden open access unter www.fkw-journal.de