Die Covid19-Pandemie ging – infolge der Einschränkungen sozialer Kontakte und sozialer Formen des Arbeitens und Lernens zur Eindämmung der Pandemie – mit einem Schub für die digitale Transformation der Gesellschaft einher. Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft eröffnet Chancen, aber birgt auch Risiken: Ob Kontakte mit der Verwaltung, Bildung, finanzielle Transfers, die Organisation von Arbeit und Freizeit oder hinsichtlich des Partnermarkts, in allen Bereichen des Lebens hat das Internet an Bedeutung gewonnen; es vereinfacht Transaktions- und Organisationsprozesse, erhöht die geographische Vernetzung und beschleunigt Informationszugang und -vermittlung. Aber nicht alle Menschen können das Internet gleichermassen nutzen. Ungleichheiten im Zugang zum Internet, aber auch in den Fähigkeiten, die Vorteile des Internets zu nutzen, können neue Ungleichheiten schaffen oder existierende soziale Ungleichheiten verstärken. Diese Vortragsreihe bringt Beiträge zusammen, die sich aus soziologischer und sozialpolitischer Perspektive mit dem «Digital Divide» im 21. Jahrhundert befassen.

Digitale Ungleichheiten sind verknüpft mit sozialen Ungleichheiten im Sinne von relativ stabilen systematischen Vor- und Nachteilen im Zugang zu Ressourcen und Positionen (Kreckel 2004). Ungleichheiten zeigen sich dabei auf verschiedenen Ebenen, etwa zwischen Gesellschaften, die im verschiedenen Ausmass entwickelt oder industrialisiert sind, oder zwischen informationsarmen und informationsreichen Menschen innerhalb von Gesellschaften (Norris 2001). Im Hinblick auf Ungleichheitsachsen als Strukturkategorien hinter dem «digital divide» scheinen Bildung, Ethnizität, Geschlecht und sozio-ökonomische Position sowie geographische Verortung besonders auf (Wessels 2010).

Hinsichtlich der Digitalisierung als Prozess ist zu fragen, in welchen Bereichen die Digitalisierung besonders stark vorangeschritten ist, und welche Bereiche noch nicht von ihr erfasst wurden. Zudem ist zu fragen, inwieweit die Digitalisierung in bestimmten Feldern zu einer Zunahme oder einer Abnahme von Ungleichheiten geführt hat. Während zu erwarten wäre, dass ein breiterer Zugang zum Internet mit sich abschwächenden Ungleichheiten verbunden ist, scheinen sich digitale Ungleichheiten auch mit zunehmender Digitalisierung als relativ persistent zu erweisen oder sich sogar zu verstärken (van Dijk 2005). Auch die Covid-Pandemie scheint nicht zu einem fundamentalen Abbau von digitalen Ungleichheiten beigetragen zu haben, sondern hat diese tendenziell stärker sichtbar gemacht und verstärkt. Besonders ältere Menschen, Menschen mit niedrigem Bildungsniveau, Menschen mit körperlichen Problemen, geringer Lese- und Schreibkompetenz oder geringen Internetkenntnissen bleiben digital benachteiligt (z.B. Deursen 2020; Litchfield et al. 2021).

Die Vortragsreihe zum «digital divide» zielt darauf ab, zunächst eine allgemeine Einführung in Konzepte digitaler Ungleichheiten zu geben, um dann empirische Befunde aus zeitlicher und internationaler Perspektive aufzuzeigen und schliesslich Implikationen für Sozialpolitik und Sozialarbeit in den Blick zu nehmen.