Diese Vorlesung bietet einen Einblick in klassische und aktuelle Themenbereiche und Fragestellungen der Politikanthropologie. Anhand zahlreicher ethnographischer Fallbeispiele aus aller Welt werden politische Prozesse und sich daraus ergebende Konflikte in einfachen wie in komplexen, staatlichen wie auch in nichtstaatlichen Gesellschaftssystemen untersucht. Es wird aufgezeigt, wie politische Macht zustande kommt und wie sie sich in unterschiedlichen Gesellschaftsformen - auch unserer heutigen globalisierten Welt - manifestiert. Es wird analysiert, welche Legitimationsstrategien politische Führer anwenden, um Macht zu erlangen und zu verteidigen, und unter welchen Bedingungen sich Beherrschte gegen die Forderungen und Dominanz politischen Eliten zur Wehr setzen und Widerstand leisten können. Politische Konflikte zwischen Individuen, Interessengruppen oder Lokalgruppen und Staaten, sowie die Institutionen und Formen zu deren Beilegung durch Schlichtung, Vermittlung, Rechtsprechung oder Krieg werden ebenso thematisiert wie die vielfältigen Bezüge von politischen Strukturen zu Wirtschaft, Verwandtschaft und Religion.Ein besonderes Augenmerk gilt dabei der Gewalt als ausseralltägliches und äusserst emotionsgeladenes Phänomen menschlichen Verhaltens, von interpersoneller Gewalt bis hin zu zwischenstaatlichen Kriegen. Wir befassen uns sowohl mit Theorien der Kriegsursachen- und Friedensforschung wie auch mit konkreten Beispielen, wie bewaffnete Konflikte in der Vergangenheit beigelegt wurden, mit den Problemen, welche sich bei einer Wiedereingliederung der ehemaligen Kämpfer in die Gesellschaft stellen, oder wie Gesellschaften mit den Traumata und Wunden eines Krieges umgehen und Versöhnung zwischen Konfliktparteien fördern können. Wir beschäftigen uns aber auch mit Konflikten und Konfliktbeilegung in nicht-staatlichen Gesellschaften, mit der Frage nach der Existenz von friedlichen Gesellschaften, oder mit der Grundsatzfrage, ob es in der Menschheitsgeschichte schon immer Krieg gab. All diesen Themen gemeinsam ist, dass sie aus einer ausgeprägt ethnologischen Sichtweise - d.h. mit Blick auf die daran beteiligten Individuen und das soziale und kulturelle Umfeld, in dem sie sich bewegen - analysiert werden