Es scheint, dass wir, falls wir es wünschen, jetzt spontan entscheiden können, unsere Augen zu schließen oder an unser Lieblingslied zu denken. Aber können wir uns dazu entschließen, etwas zu glauben, nur weil wir es wollen? Können wir zum Beispiel entscheiden zu glauben, dass der Weihnachtsmann existiert, falls wir es möchten? Eine erste Frage, die uns in diesem Proseminar beschäftigen wird, ist also, ob wir manchmal die Bildung unserer Überzeugungen ebenso kontrollieren können (doxasticher Voluntarismus), wie wir unsere Handlungen kontrollieren können, oder ob unsere Überzeugungen lediglich unwillentliche Reaktionen auf wahrgenommene Evidenz sind (doxasticher Involuntarismus)? Diese Frage ist unter anderem entscheidend, um festzustellen, welche Verantwortung wir gegenüber unseren Überzeugungen haben, und also, ob Überzeugungen moralisch bewertet werden können. Das zweite Ziel dieses Proseminars ist es, die Möglichkeit und die Natur einer Ethik des Glaubens zu diskutieren. Wir werden uns fragen, ob wir das Recht haben, zu glauben, was wir wollen, oder ob es (moralische, epistemische oder andere) Normen gibt, die die Bildung von Überzeugungen regeln? In dieser Hinsicht werden wir zunächst die klassische Debatte zwischen William Kingdon Clifford („The Ethics of Belief“, 1877) und Williams James („The Will to Believe“, 1896) betrachten: während Clifford behauptet, dass „it is wrong always, everywhere, and for anyone to believe anything on insufficient evidence“, vertritt James die Ansicht, dass wir manchmal das Recht, ja sogar die Pflicht haben, Überzeugungen zu bilden, auch wenn es keine ausreichenden Evidenzen für sie gibt. Anschließend werden wir einen der locus classicus der Debatte über den doxastischen Voluntarismus lesen, nämlich „Deciding to Believe“ von Bernard Williams (1970). Schließlich, und je nach verbleibender Zeit, werden wir uns mit zeitgenössischeren Perspektiven auf den doxastischen (In)Voluntarismus oder die Ethik des Glaubens befassen.