Die Geschichtswissenschaft und insbesondere die «Allgemeine Geschichte» haben ein Problem. Die Quellenlage aus den letzten Jahrtausenden ist immer noch ziemlich einseitig, da bis weit ins 19. Jahrhundert hinein vor allem Reiche und Weisse die Mittel und die Position dazu hatten, ihr Leben und ihre Zeit für sich oder sogar öffentlich zu dokumentieren und diese Dokumente auch langfristig zu archivieren. Es war kein Geringerer als Walter Benjamin, der in seinen geschichtsphilosophischen Thesen aus dem Jahr 1940 postulierte, dass die Einfühlung in den Sieger allemal den jeweils Herrschenden zugute kommt. Im Fach nennt man das «Victor’s History» – Geschichte der Sieger. Dem stellten Historiker:innen wie E.P. Thompson, Gayatri Spivak, Carlo Ginzburg oder Marisa Fuentes Konzepte wie «History from below», «Subaltern Studies» oder «History from the margins» entgegen – Geschichte von unten und von den Rändern her. Geschichte, die von der Vormachtstellung des Westens und der Eliten weggeht und sich hinsichtlich der Quellenbetrachtung und -auswertung einer Gleichberechtigung der Kulturen, Geschlechter, Hautfarben und gesellschaftlichen Stellungen anzunähern versucht.

In dieser Übung werden wir zentrale Texte aus der Forschungstradition der «Geschichte von unten» lesen und kritisch erarbeiten. Die Übung führt in die Themen, Theorien und Traditionen der «History from below» ein, beleuchtet deren politische Kontexte und stellt aktuelle Arbeiten vor.