Wie kann Philosophie mit den Herausforderungen einer sogenannten ‚digitalen Gesellschaft‘ umgehen? Stimmt die These von der ‚digitalen Wende‘ und was ist damit gemeint? Gibt es Digitalisierung wirklich erst seit der massiven Computerisierung unserer Gegenwart? Die Vorlesung setzt sich mit den begrifflichen Voraussetzungen derlei Diagnosen auseinander, und zeigt auf, warum Digitalisierung selbst so alt ist wie die Menschheit. Digitalisierung heisst zunächst schlicht Diskretisierung: ein Kontinuum wird in einzelne, gleichmässige Einzelteile zerlegt, die durch Leerstellen getrennt werden. Nur so kann es das Alphabet geben, nur so Arithmetik. Digitale Medien eignen sich allerdings auch daher so gut als Massenmedien, weil ihr Code prinzipiell jeden beliebigen Inhalt (ob Text, Bild oder Ton) speichern kann. Es heisst daher allgemein, digitale Medien seien anti-ästhetisch, weil das Medium selbst nie in Erscheinung tritt. Laut dem Medientheoretiker Marshall McLuhan lenkt das Medium die Aufmerksamkeit auf den Inhalt, so wie der Einbrecher ein Stück Fleisch mitführt, um den Hund abzulenken. Die Vorlesung beschreitet einen dezidiert anderen Weg, und lotet die Möglichkeiten einer „Ästhetik des Digitalen“ aus. Was heisst es, innerhalb der Massenmedien die jeweilige Erscheinungsweise zu berücksichtigen? Worum geht es in heutigen Phänomenen der Glitch Art und zeitgenössischer digitaler Kunst, die mit generativer KI arbeitet? Welche Hinweise finden sich bei Philosophen von Platon über Nietzsche bis Gilbert Simondon für eine andere Ästhetik, für eine Ästhetik im Zeichen der „Techno-Ästhetik“? Die Vorlesung kann sowohl als Einführung in die Technikphilosophie als auch als Einführung in die Medienästhetik besucht werden.
Lernziele: Überblick über die Hauptprobleme der zeitgenössischen Technikphilosophie
(u.a. Digital-Analog-Differenz); Einführung in die Medienästhetik; allgemeine Reflexionskompetenz und Begriffsanalyse.
- Dozent/in: Emmanuel Alloa