Während in Deutschland, Österreich oder Frankreich zahlreiche Gedenkstätten, Datenbanken und Forschungsprojekte über die Opfer des Nationalsozialismus und die Verfolgungsgeschichten vor Ort informieren, präsentierte sich die Schweiz lange Zeit als weisser Fleck auf der Landkarte dieser europäischen «Erinnerungsorte». Zwar wurde die restriktive Schweizer Flüchtlingspolitik während der Zeit des Nationalsozialismus durch die sogenannte «Bergier-Kommission» Ende der 1990er Jahre kritisch und umfassend erforscht und einige Geschichten von zurückgewiesenen Menschen rekonstruiert. Die «eigenen» Schweizer NS-Opfer wurden jedoch mehrheitlich ausgeklammert, beschwiegen oder vergessen.
Erst seit wenigen Jahren ist die Thematik der Schweizer Opfer des Nationalsozialismus in ein breiteres Bewusstsein der Schweizer Öffentlichkeit gerückt. Ein Buch dokumentiert die Schweizer KZ-Häftlinge, der Verein Stolpersteine Schweiz installiert Gedenksteine für NS-Opfer, die einst in der Schweiz gelebt haben, ein nationaler, vom Bund finanzierter Gedenkort in Bern ist in Planung und ein Forschungsprojekt an der Universität Fribourg fragt nach den behördlichen Interventionen und Handlungsspielräumen in Bezug auf diese Schweizer NS-Opfer. Wer waren diese Menschen? Welche Verfolgungsgeschichten verbergen sich hinter den individuellen Schicksalen? Wie haben sich die Schweizer Behörden und Diplomaten für sie eingesetzt? Und wie gestaltete sich der Umgang mit diesen Menschen und ihrer Geschichte im Nachgang des Zweiten Weltkrieges?
Das Seminar wird sich diesen und weiteren Fragen widmen und dabei auch Archivbesuche und Fallbeispiele integrieren. Zudem wird die Frage nach den Schweizer Opfern in einen internationalen Kontext gestellt, während die nationalsozialistische Gewaltherrschaft im Deutschen Reich und im besetzten Europa den Hintergrund für die im Seminar besprochenen Themen bilden wird.
- Enseignant·e: Fabienne Meyer
- Enseignant·e: Karlo Ruzicic-Kessler