
Das Master-Seminar beschäftigt sich mit dem Konzept der „Imagined Communities“, das Benedict Anderson in seinem gleichnamigen Werk entwickelte, und untersucht dessen Anwendbarkeit auf europäische Kontexte. Im ersten Teil des Seminars werden die theoretischen Grundlagen von Andersons Konzept erarbeitet, um ein tiefes Verständnis der Mechanismen kollektiver Identitätsbildung zu erlangen. Zentral ist dabei die Frage, wie bspw. durch symbolische Medien wie Sprache und Rituale Gemeinschaften konstruiert werden, die auf gegenseitiger Vorstellungskraft basieren.
Der zweite Teil widmet sich der historischen Analyse und Diskussion von Nation-Building-Prozessen in Europa im 19. und 20. Jahrhundert. An ausgewählten Fallbeispielen europäischer Nationen untersuchen wir, wie Nationalstaaten als Imagined Communities entstanden und welche Rolle z.B. Mythen und nationale Symbole dabei spielten. Ziel ist es, ein vertieftes Verständnis für die kulturellen Bedingungen der Nationsbildung zu entwickeln.
Im dritten Teil des Seminars wird der Fokus auf Europa als supranationale Einheit gerichtet. Wir diskutieren, ob und inwiefern Europa – sei es als geografischer Kontinent oder als politische Union – eine Imagined Communities darstellt oder in Zukunft werden könnte. Welche kollektiven Vorstellungen und Narrationen prägen die Idee von Europa? Und wie können solche Vorstellungen mit bestehenden nationalen Identitäten koexistieren oder diese herausfordern?
Das Seminar bietet somit einen interdisziplinären Zugang zur Frage der Identitätsbildung in und über Europa hinaus, verknüpft theoretische Konzepte mit historischen Fallstudien und eröffnet neue Perspektiven auf die Rolle von Vorstellungen in politischen und kulturellen Prozessen.
- Docente: Riccarda Schmid