Seit dem 19. Jahrhundert lässt sich in der Literatur und, in deren Nachfolge, im Film das Spiel mit Erzählverfahren beobachten, die ein eigentümliches oder sogar irreführendes Bild der dargestellten Ereignisse entstehen lassen. In der Literaturwissenschaft werden solche Verfahren unter dem Begriff «unzuverlässiges Erzählen» zusammengefasst. Das Seminar wird sich dieser vielgestaltigen narrativen Tradition widmen. Anhand ausgewählter Beispiele aus Literatur und Film soll ein Überblick über die Entwicklung, grundlegende Spielarten und einflussreiche Nutzungen erzählerischer Unzuverlässigkeit im 20. Jahrhundert gewonnen werden. Erzählungen, die Gegenstand der Analyse sein werden, sind u.a. Schnitzlers Leutnant Gustl (1901), Perutz’ Zwischen neun und neun (1918), Arno Schmidts Aus dem Leben eines Fauns (1953), Frischs Homo Faber (1957), Helmut Kraussers Fette Welt (1992) und Wolfgang Herrndorfs In Plüschgewittern (2012). Filme, deren Erzählweise untersucht wird, sind u.a. Stage fright (1950), Rashomon (1950) oder The Usual Suspects (1995).
Zur vorbereitenden Lektüre sei empfohlen: Tilmann Köppe / Tom Kindt: Erzähltheorie. Eine Einführung. 2., überarb. u. erweiterte Neuausgabe. Stuttgart: Reclam 2022, Kap. 9.
- Dozent/in: Tom Oliver Kindt