Im Zentrum dieses Proseminars steht die Frage, wie sich die Gesundheit im 20. Jahrhundert in „modernen“ Industrie- und Konsumgesellschaften wie der Schweiz zu einer wichtigen Leitkategorie entwickelte, die nicht nur in der Wissenschaft und Medizin eine zentrale Rolle spielte, sondern auch die Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und das alltägliche Leben beeinflusste. Die Erforschung des menschlichen Körpers durch neue naturwissenschaftliche Disziplinen wie der Anatomie, Biologie und Ernährungswissenschaft veränderte nicht nur das Verständnis von Gesundheit und Krankheit, sondern wirkte sich auch auf vielfältige Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens aus. Einerseits entwickelte sich die Gesundheit zu einem wichtigen Handlungsfeld staatlicher Ordnungs- und Kontrollmassnahmen. Dazu gehörten Präventionskampagnen, Impfungen, Hygienemassnahmen und der Ausbau der öffentlichen Gesundheitspflege. Von politisch links bis rechts beförderte die Sorge um die sogenannte Volksgesundheit aber auch die Angst vor „Degeneration“ und gesellschaftlichem „Niedergang“. Andererseits nahm die Gesundheit im 20. Jahrhundert für immer mehr Menschen die Gestalt eines individuellen Glücksversprechens an. Die richtige Ernährung, sportliche Aktivitäten und das passende Körpertraining sollte nicht nur gesünder machen, sondern auch fitter, leistungsfähiger und erfolgreicher. Die Gesundheit wurde dadurch zunehmend in die Verantwortung des Individuums gelegt. Aus diesem neuen Selbstoptimierungsparadigma ging ein wachsender Markt für Gesundheitsprodukte, Diäten, Wellnessangebote und Fitnessprogramme hervor. Im Proseminar untersuchen wir diese wissenschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen der Gesundheit im 20. Jahrhundert und ihre Entwicklungen an ausgewählten Beispielen.

Am 16. und 17. November (Freitag und Samstag) besuchen wir im Rahmen des Proseminars eine wissenschaftliche Tagung an der Universität Fribourg.

Wichtiger Hinweis:
Das Proseminar muss in Verbindung mit dem Grundkurs von Irma Gadient besucht werden.