Während des gesamten 20. Jahrhunderts haben sich Historiker und Historikerinnen in ihren Analysen geschichtlicher Prozesse und Strukturen auf Karl Marx berufen. Marxens Gesellschaftsanalyse enthält ein theoretisches Potenzial und ein kritisches Instrumentarium, das die modernen Sozial- und Kulturwissenschaften immer wieder neu zum Überdenken tradierter Erklärungen und Deutungen für historischen Wandel angetrieben hat. Gleichzeitig verkrustete die Marx’sche Gesellschaftsanalyse im Zuge ihrer wissenschaftlichen Kanonisierung im realexistierenden Sozialismus auch zu einer unhinterfragten Orthodoxie, die kritisches, plurales und offenes historisches Denken in vielerlei Hinsicht lähmte. Dieses Historiographie-Seminar zeichnet die Stränge marxistischer Geschichtsschreibung im 20. Jahrhundert zwischen diesen beiden Polen nach und bettet sie in die Hauptströmungen des historischen Denkens und Schreibens im «Zeitalter der Extreme» (Eric Hobsbawm) ein. Anhand von Schlüsseltexten und Übersichtsdarstellungen wird gemeinsam diskutiert, wie die Konjunkturen der marxistischen Geschichtsschreibung mit der breiteren Geschichte des 20. Jahrhunderts zusammenhängen.

Voraussetzung für die Teilnahme ist die Bereitschaft zur intensiven Lektüre.