Menschliche Existenz ist ohne soziale Beziehungen nicht denkbar. Wir existieren durch sie, werden durch sie definiert und gestalten sie mit unserer Existenz und unserem täglichen Handeln. In der Anthropologie wird dabei Verwandtschaftsbeziehungen eine besondere Bedeutung beigemessen. Obwohl oft dem privaten Raum zugeordnet, organisiert Verwandtschaft Asymmetrien zwischen Generationen und Geschlechtern, Erb- und Besitzverhältnisse, sowie auch politische Zugehörigkeiten, Pflichten und Rechte. In dieser Lehrveranstaltung lernen wir die Schlüsselkonzepte und Bausteine sozialer Beziehungen kennen. Wir besprechen welche Rolle Verwandtschaft und andere Beziehungsformen wie Freundschaft, Patronage, Nachbarschaft und Altersklassen für die verschiedenen theoretischen Richtungen der Anthropologie gespielt haben. Dabei beschäftigen wir uns auch mit der Kritik an den klassischen Ansätzen der Verwandtschaftsanthropologie. Wir fragen wie kulturelle Vorstellungen von Geschlecht und Reproduktion die Forschung zu sozialen Beziehungen verzerren und diskutieren mit welchen Konzepten wir unsere eigenen Vorstellungen hinterfragen können. Im zweiten Teil der Vorlesung lernen wir welche Relevanz die verwandtschaftsanthropologischen Theorien und ihre Kritik für aktuelle Forschungen haben. Wir besprechen Forschungen zu Themen wie Leimutterschaft, Migration, Landrechtreformen und Homosexualität und verschaffen uns damit einen Einblick in die anhaltende gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Bedeutung von Verwandtschaft. Dabei stellt sich immer auch die Frage, wie Verwandtschaft in Beziehung zu anderen Formen von sozialen Beziehungen steht. Wie und in weshalb werden verschiedene Formen von sozialen Beziehungen voneinander unterschieden und was passiert, wenn diese Unterscheidungen in Alltagspraktiken aufgelöst werden?