Der Begriff Infrastruktur wird auf hergestellte Netzwerke von Dingen angewandt, angefangen von Transportsystemen (Häfen, Strassen) über Energiesysteme (Kraftwerke, Staudämme, Pipelines) bis hin zu Kommunikationsleitungen und Wasserversorgung (Leitungen, Kanäle, Kläranlagen). Neuere Studien verstehen Infrastruktur im weiteren Sinne als das, was manche Dinge zum Funktionieren benötigen, und als „Materie, die die Bewegung anderer Materie ermöglicht“, wie Information, Wissen und Macht (Larkin 2013:329). Da es sich oft um langfristige Investitionen mit staatlicher Finanzierung handelt, sind klassische Infrastrukturnetze ein Schlüsselbereich für Debatten über Privatisierung und Gemeinwohl. Sie erzählen uns viel darüber, wie die Leute denken, dass ihre Gesellschaft aussehen soll, und wie sich die Regierung die Zukunft vorstellt.

In den letzten Jahren gab es in den Sozial- und Geisteswissenschaften eine dramatische Zunahme an Studien über Infrastruktur. Infrastrukturen bieten einen äusserst interessanten Ort, um Fragen zu untersuchen, die für Anthropolog_innen seit langem von Interesse sind, wie die Produktion politischer Autorität, materieller Kultur und technologischer Expertise. Dieses Seminar betrachtet Infrastrukturen in ihrer konventionellen Form und untersucht im Lichte neuerer Studien ihre technischen Misserfolge und unbeabsichtigten gesellschaftlichen Folgen. Infrastrukturen versprechen ein besseres Leben, ermöglichen den Austausch und gestalten das gesellschaftliche Leben in bedeutsamer Weise. Ihre Zusammenbrüche und ihr Fehlen zeigen komplexe Machtdynamiken auf. Anstatt die Infrastruktur als etwas Statisches zu betrachten, werden wir ihre Entwicklung und Wartung durch alltägliche Praktiken in bestimmten ethnographischen Kontexten diskutieren.