Die Jugend erlebte im letzten Jahrhundert einen
rasanten Bedeutungsgewinn. Noch um 1900 endete diese Übergangsphase zwischen
dem Kindes- und Erwachsenenalter mit einem abrupten Einstieg in den
Arbeitsalltag. Heute scheint sie einen immer grösseren Teil unseres Lebens
einzunehmen. Seit dem frühen 20. Jahrhundert und vor allem nach 1945
verlängerte sich die Ausbildungszeit markant. Parallel dazu nahm auch die
Freizeit, Mobilität und finanzielle Eigenständigkeit der Jugendlichen zu.
Politische Parteien, religiöse Einrichtungen und soziale Bewegungen, ebenso wie
Freizeit- und Sportorganisationen gründeten Jugendabteilungen, die staatliche
Jugendfürsorge nahm ihre Arbeit auf und die Reformpädagogik strebte den „neuen
Menschen“ an. Es ging darum, die Jugend für sich zu gewinnen, sie zu erziehen
oder sie zu kontrollieren. Aber auch die Jugendlichen selbst begannen sich in
eigenen Bewegungen, Subkulturen und Szenen zu organisieren. Sie protestierten
gegen die Elterngeneration, forderten neue Freiräume oder riefen zu Revolutionen
auf. Andere zogen sich ins Private zurück, um nach alten und neuen Idealen in
der Natur, Religion und Geschichte zu suchen.
Das Proseminar beginnt mit einer Einführung in die
biologischen, soziologischen, psychologischen und juristischen Aspekte der
Jugend und fragt nach den (reform)pädagogischen Bildungskonzepten im Verlauf
des 20. Jahrhunderts. Danach liegt der Fokus auf den Jugendlichen als handelnde
Akteure in jugendspezifischen Parteien, Bewegungen und Subkulturen. Wir schauen
uns die kommunistischen und faschistischen Jungparteien der Zwischenkriegszeit,
die Studentenproteste der 1968er und die neue Politisierung durch Antifa und
Skinheads in den 1980er Jahren an. Auf dem Programm stehen auch bürgerliche und
religiöse Jugendgruppen wie Pfadfinder, Wandervogel und Jungwacht, alternative
Projekte wie die Bärglütli und die Kooperativen Longo Maï sowie die
pluralisierten Jugendkulturen des ausgehenden 20. Jahrhunderts wie Punk, Techno
und Veganismus.