Der Begriff der «geschlechtergerechten Lehre» hat sich in den letzten Jahren im Zuge der Umsetzung der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in Institutionen des Bildungsbereiches durchgesetzt. Geschlechtergerechtigkeit in der Gestaltung der Lehre zielt darauf ab, allen Lernenden – unabhängig von ihrem Geschlecht – eine erfolgreiche Beteiligung am Lernprozess zu ermöglichen und gleiche Chancen im Erwerb von Bildungsqualifikationen zu gewährleisten. In Bezug auf die Studien- und Berufswahl (vgl. horizontale Segregation) wie auch in Bezug auf Karriere- und Aufstiegschancen (vgl. vertikale Segregation) bestehen im höheren Bildungsbereich nach wie vor Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen. Geschlechtergerechtigkeit in der Lehre zielt einerseits darauf ab, die gleiche Behandlung von Frauen und Männern in Lehr-/Lernprozessen zu gewährleisten. Auch wenn Lehrpersonen in aller Regel niemanden offen diskriminieren wollen, können in Bezug auf verschiedene Aspekte der Lehre Geschlechterstereotype wirksam sein und zu Benachteiligungen im Lernprozess führen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn in den Lehrunterlagen Männer und Frauen in stereotypen Geschlechterrollen gezeigt werden oder wenn Geschlechteraspekte in den Fachinhalten nicht angemessen berücksichtigt werden. Dieses Selbstevaluations-Tool kann Sie für die Bedeutung von Geschlecht in Bezug auf verschiedene Aspekte Ihrer Lehre sensibilisieren. Geschlechtergerechtigkeit bedeutet für Lehrpersonen anderseits auch, allfällige sozialisationsbedingte Unterschiede zwischen Studentinnen und Studenten angemessen zu berücksichtigen. Ein Beispiel: Bei gleicher Kompetenz schätzen Männer ihre eigenen Kompetenzen tendenziell höher ein als Frauen, was sich im zur Schau gestellten Selbstbewusstsein in einer mündlichen Prüfung äussern kann. In diesem Falle sollten geschlechtsspezifische Unterschiede in den Verhaltensweisen berücksichtigt und Evaluationskriterien zum Vorteil der einen oder der anderen vermieden werden. Dies erfordert von der Lehrperson die Fähigkeit zur geschlechtersensiblen Reflexion der eigenen Kriterien. Auch diesbezüglich kann Ihnen dieses Tool helfen. Die geschlechtergerechte Gestaltung der Lehre bewegt sich also in einem Spannungsfeld zwischen der Gleichbehandlung von Männern und Frauen und der Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Voraussetzungen (vgl. dazu Dehler & Gilbert 2010).