Der Begriff «horizontale Segregation» bezieht sich auf die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern auf die verschiedenen Ausbildungsgänge und Berufsbereiche. Tatsächlich sind Disziplinen und Berufe oft «vergeschlechtlicht», d. h. sie werden mit einem bestimmten Geschlecht in Verbindung gebracht und gelten für das andere als unangemessen. Die horizontale Segregation ist in der Schweiz besonders ausgeprägt: Im akademischen Jahr 2010/11 waren 50% der Studierenden an den universitären Hochschulen Frauen [2017/18: 51%]; allerdings waren sie mit 66% [67%] in den Geistes- und Sozialwissenschaften vertreten, mit 61% [62%] in Medizin und Pharmazie, aber nur mit 33% [35%] in den Wirtschaftswissenschaften und lediglich mit 27% [31%] in den technischen Wissenschaften, wobei diese Durchschnittszahlen noch grössere Ungleichgewichte in einzelnen Disziplinen verdecken (Bundesamt für Statistik 2011 und 2019, vgl. auch European Commission 2010 und 2019). Diese Unterschiede in der Studienfachwahl sind mit sehr unterschiedlichen Karriere- und Aufstiegschancen verbunden und tragen zur ungleichen Positionierung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt bei. Verschiedene Studien zeigen, dass die Fachkulturen eine nicht unwesentliche Rolle spielen, wenn es gilt, die Unterschiede in der Studienfachwahl zu erklären (Gilbert et al. 2006). Die impliziten fachspezifischen Normen und Praktiken können zur Vergeschlechtlichung von Fach- und Berufsidentitäten führen, was sie für Männer oder Frauen mehr oder weniger zugänglich macht (vgl. «Doing gender»). Trotz des Rechtes auf gleiche Chancen setzen sich also auch im höheren Bildungsbereich Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern fort. Geschlechtersensible Lehre ist eine Möglichkeit unter anderen, dagegen zu steuern.