Welche Bedeutung kommt der Gender-Dimension zu? Bei der Entwicklung eines (neuen) Studienganges ist es wichtig, die Gender-Dimension auf der Ebene der Studienziele
zu verankern, damit sie bestmöglich in den Studienplan integriert werden kann. Zunächst wird es darum gehen, die zentralen Kompetenzen in Bezug auf Geschlecht im betreffenden Studiengebiet zu eruieren: Wie kommt die Gender-Dimension in den Fragestellungen
der Disziplin zum Tragen? Was bedeutet die Berücksichtigung von Gender für die ärztliche Tätigkeit, für Lehrpersonen oder für Ingenieurinnen und Ingenieure? Einige Beispiele:
In der Soziologie stellen die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern eine zentrale Dimension der Analyse sozialer Ungleichheiten dar. Wie wird diese Dimension in soziologischen Theorien integriert?
In der Medizin müssen epidemiologische Studien Unterschiede zwischen Männern und Frauen berücksichtigen. Welche genderbezogenen Faktoren beeinflussen die Gesundheit?
Im Ingenieurwesen kommen bei der Entwicklung neuer Technologien die spezifischen Bedürfnisse verschiedener sozialen Gruppen zum Tragen, auch jene von Frauen und Männern. Wie können diese Bedürfnisse berücksichtigt werden? Welche impliziten Bilder
haben Ingenieurinnen oder Ingenieure von den Personen, die ihre Technologie nutzen werden?
Für die Klärung dieser Frage in Bezug auf die eigene Disziplin ist es sinnvoll, auf eine genderbezogene Situationsanalyse zurückzugreifen (vgl. Profil des Studienganges) oder
eine Gender-Expertin hinzuzuziehen.
Der Erwerb von Gender-Kompetenzen durch die Studierenden Auf dieser Grundlage können die Gender-Kompetenzen definiert
werden, die Studierende im Lauf ihres Studiums erwerben sollen. Diesbezüglich lassen sich vier Aspekte unterscheiden (vgl. Rosenkranz-Fallegger 2009), die jeweils fachspezifisch präzisiert und ausgeführt werden müssen :
Fachkompetenz in Bezug auf Gender: Studierende sind mit den grundlegenden Konzepten und Fragestellungen der Gender-Studies vertraut und sind in der Lage, deren Relevanz für die Fragestellungen, Theorien und Inhalte ihres Studienfaches
aufzuzeigen.
Methodenkompetenz in Bezug auf Gender: Studierende sind in der Lage, ihr genderbezogenes Wissen und Können auf unterschiedliche wissenschaftliche und berufliche Kontexte anzuwenden. Sie sind imstande, die Gender-Perspektive auf die konkreten
Situationen ihrer beruflichen Praxis zu beziehen.
Sozialkompetenz in Bezug auf Gender: Studierende sind fähig, Genderaspekte in ihren beruflichen Beziehungen zu erkennen und diese geschlechtergerecht zu gestalten, sowohl gegenüber Kolleginnen und Kollegen als auch gegenüber Kundinnen
oder Patienten.
Selbstkompetenz in Bezug auf Gender: Studierende haben die Fähigkeit entwickelt, eigene Handlungsmuster gegenüber Frauen und Männer zu reflektieren und Geschlechterstereotype zu
hinterfragen, die ihrer persönlichen Haltung zugrunde liegen können.
Ansätze zur Integration von Gender in einen Studiengang Für die Integration von Gender-Aspekten in einen Studiengang bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Welcher Ansatz gewählt wird, hängt selbstverständlich vom jeweiligen
Fach ab, aber auch von den institutionellen Möglichkeiten und den zur Verfügung stehenden Ressourcen (vgl. Institutioneller Rahmen). Becker & Kortendiek (2008:80ff) unterscheiden
vier Ansätze:
Fachübergreifende Gender-Module: eine Einführung in die Themen und Fragestellungen der Gender Studies wird als interdisziplinär angelegtes Modul für verschiedene Studienfächer angeboten (oft als Wahl- oder Wahlpflichtmodule).
Fachspezifische Gender-Module: Es werden einzelne Module angeboten, in denen die Gender-Dimension in Bezug auf Fragestellungen, Theorien oder ausgewählte Inhalte des Faches behandelt wird.
Gender als Querschnittsthema: Die Gender-Dimension ist als transversales Thema in den Studiengang integriert und wird in allen Modulen systematisch aufgegriffen.
Gender-Studiengänge: Eigene Studiengänge stellen das Gender-Thema explizit ins Zentrum, z. B. das Bachelor- oder Masterstudium in Genderstudies an der Universität Basel oder der Master Minor Gender Studies im Rahmen eines Masters in Sozial-, Geistes- oder
Kulturwissenschaften an der Universität Bern.