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I

Impliziter Ansatz

Sie haben grundsätzlich zwei Handlungsoptionen, wenn Sie Ihre Lehre geschlechtergerecht gestalten wollen, den impliziten und den expliziten Ansatz (vgl. Dehler & Gilbert 2010). 
Mit dem impliziten Ansatz verfolgen Sie in erster Linie das Ziel, ein Lehr-/Lernumfeld zu schaffen, das es allen Studierenden – unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer sozialen Herkunft – gleichermassen erlaubt, erfolgreich zu lernen. Sie möchten also Frauen und Männer in ihren Lernprozessen gleichermassen fördern, Sie möchten aber in Ihrer Lehre die Geschlechterfrage nicht als solche thematisieren.
Der implizite Ansatz beinhaltet zwei Aspekte:

  • Sie gehen in Ihrer Lehre von der Vielfalt der Lernenden, ihrer Erfahrungen und ihrer Lernstrategien aus. Sie vermeiden es also, den Männern oder den Frauen bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zuzuschreiben. Auf diese Weise tragen Sie dazu bei, einschränkende Geschlechterstereotype aufzuweichen und aufzulösen anstatt sie ungewollt zu verstärken.
  • Sie sind bereit, Ihre eigenen Vorstellungen von Geschlecht zu reflektieren, um zu vermeiden, dass sich geschlechterstereotype Erwartungen negativ auf das Lernen und die Leistungen Ihrer Studierenden auswirken.
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Interaktionen zwischen Lehrperson und Studierenden

Unter den Faktoren, die Motivationsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen erklären können, diskutieren Meece et al. (2006) die Interaktionsmuster zwischen Lehrpersonen und Kindern in der Schule. Generell scheinen Lehrpersonen tendenziell jenen Schülerinnen oder Schülern mehr Unterstützung zukommen zu lassen, denen gegenüber sie hohe Erwartungen haben. Diese Kinder hätten entsprechend häufiger die Gelegenheit, ihr Wissen zu zeigen, und bekämen mehr unterstützende Rückmeldungen.
Die Forschung zu Geschlechterunterschieden in schulischen Interaktionen haben durchgängig gezeigt, dass Jungen mehr Interaktionen mit ihren Lehrpersonen haben als Mädchen (Altermatt et al. 1998; Jones & Dindia 2004; beide zitiert bei Meece et al. 2006). Sie wurden insbesondere häufiger aufgerufen, um Fragen zu beantworten, und bekamen mehr Anerkennung, Ermutigung und Kritik als die Mädchen. Sie sind aber auch häufiger die Initiatoren von Interaktionen mit der Lehrperson.
Nach Meece et al. (2006) sind solche Interaktionen in den Fächern Mathematik oder Naturwissenschaft ausgeprägter, also in jenen Bereichen, in denen stereotype Erwartungen den Jungen höhere Kompetenzen zusprechen. Zudem sind sie in Lernsettings ausgeprägter, in denen die Interaktionen auf die Lehrperson zentriert sind, also in Vorlesungen, Vorträgen oder Lehrgesprächen (im Gegensatz zu Gruppenarbeiten, Partner-Übungen, etc.).
Diese Ergebnisse betreffen den Unterricht auf Primar- und Sekundarschulstufe ; doch sie machen deutlich, welche Bedeutung der Reflektion impliziter Aspekte von Interaktionen zwischen Lehrperson und Studierenden auch für die Hochschulstufe zukommt. 
Hier finden Sie eine Reihe von Fragen, die Ihnen helfen kann, die Interaktionen mit Ihren Studierenden zu beobachten: Interaktionen – Beobachtung. Sie können diese zur Selbstreflexion oder im Rahmen einer kollegialen Evaluation einsetzen. 

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Interaktionen zwischen Lehrperson und Studierenden – Beobachtung

Folgende Fragen können Ihnen helfen, sich bewusst zu machen, wie Sie in Ihren Lehrveranstaltungen den Interaktionsraum mit Ihren Studierenden gestalten:

  • Welchen Studierenden lassen Sie mittels Blickkontaktes am meisten Aufmerksamkeit zukommen?
  • Wie ausführlich gehen Sie auf Fragen von weiblichen oder männlichen Studierenden ein?
  • Wie oft erteilen Sie das Wort männlichen und weiblichen Studierenden?
  • Wie viel Redezeit überlassen Sie den Studentinnen und den Studenten für Ihre Beiträge? Gibt es Unterschiede nach Personen?
  • Wem sprechen Sie lobend Anerkennung aus?
  • Wie drücken Sie Ihre Anerkennung gegenüber den Studierenden (nonverbal) aus?
  • Wessen Redebeiträge unterbrechen Sie?
  • Auf wessen Redebeiträge kommen Sie im Lauf Ihrer eigenen Ausführungen zurück?
Diese Fragen lassen sich besonders gut beantworten, wenn Sie die Selbstreflexion durch eine externe Beobachtung ergänzen (vgl. Evaluation der eigenen Lehre – expliziter Ansatz).

Intersektionalität

Mit dem Konzept der «Intersektionalität» oder auch «Interdependenz» (Walgenbach 2012) werden verschiedene Dimensionen sozialer Ungleichheit in ihrer Verschränkung und ihren Wechselwirkungen in den Blick genommen. Darunter fallen insbesondere Geschlecht, soziale Klasse, 'Rasse' als soziales Konstrukt, kulturelle Herkunft, Sexualität, Behinderung und andere. Welche sozialen Dimensionen dabei relevant sind, hängt von der jeweiligen Situation und ihrem Kontext ab.

Seit ihren Anfängen sind die Gender Studies mit der Frage beschäftigt, wie das Wechselspiel insbesondere von Klassen- und Geschlechterverhältnissen theoretisch zu fassen sei. In den 1980 Jahren machte die Kritik von Schwarzen Frauen, von Frauen mit Migrationshintergrund oder von Lesbischen Frauen – um nur einige zu nennen – darauf aufmerksam, dass feministische Theorie und Politik aus der Position von weissen, heterosexuellen Frauen der Mittelschicht entwickelt wurden, sich auf deren Erfahrungen bezogen und die Erfahrungen von «anderen» Frauen nicht abbildeten.
Der Begriff der Intersektionalität wurde durch die afroamerikanische Juristin Kimberle Crenshaw (1989) in die Debatte eingeführt. Am Beispiel von Justizfällen aus den USA zeigte sie auf, dass die Diskriminierung von Schwarzen Frauen sowohl von sexistischen als auch von rassistischen Strukturen herrührt und sich ihre Position von jener schwarzer Männer wie auch von jener weisser Frauen unterscheidet. Crenshaw forderte deshalb, die Zugehörigkeit zu verschiedenen marginalisierten Gruppen in ihrer Verschränkung zu denken.
Intersektionalität deckt heute ein weites und interdisziplinäres Feld von Forschungen und Debatten ab. Gemeinsam sind den verschiedenen Zugängen folgende Aspekte: (1) Der analytische Fokus hat sich von der Vielfalt innerhalb der Genusgruppe der Frauen hin zur Verknüpfung von Geschlecht mit anderen Dimensionen sozialer Ungleichheit verschoben.
(2) Die gesellschaftlichen Machtstrukturen, die den einzelnen Dimensionen zugrunde liegen, stehen im Zentrum. In den Blick genommen werden dabei nicht nur die Mechanismen der Diskriminierung (z. B. von Frauen oder Schwarzen), sondern auch jene der Privilegierung (z. B. von Männern oder Weissen), die oft selbstverständlich erscheint und unsichtbar bleibt.

Eine intersektionale Perspektive auf das Bildungssystem zeigt wie soziale Herkunft, Geschlecht und Migrationshintergrund in ihrem Zusammenspiel über Bildungswege und Zugang zu Hochschulbildung entscheiden. Eine solche Perspektive kann auch hilfreich sein, um konkrete Lehr-/Lernsituationen besser zu verstehen. Ein Beispiel: In den Interaktionen zwischen einer Dozentin deutscher Herkunft und einem Studenten kurdischer Herkunft kommen Geschlechterpositionen zum Tragen, die von der jeweiligen Herkunftskultur der Beteiligten geprägt sind. Oder: In einer Diskussion werden sich europäische Studenten mit akademischem Hintergrund häufiger und mit mehr Gewicht zu Wort melden als Studierende aus bildungsfernem Milieu oder aussereuropäischen Kulturen. Schliesslich: Wenn sich Studentinnen aus dem asiatischen Raum nicht aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligen, so kann dies den Lernmethoden im Bildungssystem ihres Herkunftslandes ebenso geschuldet sein wie geschlechterstereotypen Vorstellungen. 

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